Montag, 17. Dezember 2007

Wagnisse und Hindernisse – The Final Indonesienbericht


Zwei Wochen lang hab ich jetzt schon nichts mehr geschrieben und ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Am besten der Reihe nach. Unsere Reise nach Borneo. Es ist immer schwierig mit mehreren Worten Erlebtes zu beschreiben. Und wenn man gefragt wird „Wie war’s?“, sagt man meistens „gut“ oder „toll“ oder so was. Leider werden diese Worte dem Gesehenen nicht gerecht. Denn schon allein die Tatsache, dass ich das, was ich auf Borneo vor einer Woche noch fotografiert habe, in wenigen Jahren vielleicht verschwunden sein wird, macht einen großen Unterschied. Die Landschaft, die bei unseren Busfahrten entlang der Ostküste an uns vorbei zog, schockierte und enttäuschte uns. Wo einmal satter Regenwald wucherte, erstickt heute als Folge extensiver Abholzung, eine giftige Decke aus Alang-Alang-Gras jedwedes Leben.

Dazwischen nur noch die verkohlten Reste einst stolzer Urwaldriesen und die kläglichen Versuche der Bauern auf verarmtem Boden Gemüse anzubauen. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass es tatsächlich noch irgendwo ein Plätzchen geben sollte, an dem Orang-Utans von all dem verschont bleiben würden. Wir waren auf jeden Fall neugierig und Willie Smits, der Gründer von BOS, der uns vom Flughafen in Balikpapan abgeholt hatte machte uns auf dem Weg nach Samboja Lestari ein wenig Hoffnung. Voller Stolz erzählte er uns von seinem erfolgreich aufgeforsteten Wald, der zunehmenden Wolkenbildung und der Rückkehr vieler Tier- und Pflanzenarten. Wovon ich in der Theorie schon viel gelesen und gehört hatte, sollte ich nun selbst sehen, ja sogar riechen und anfassen können.

Wir quartierten uns in einem Gästehaus ein und erkundeten mit anderen Besuchern (vorwiegend deutsche Abgeordnete) das Gelände. Es war beeindruckend, zu sehen, was alles auf einer staubigen Graswüste entstehen kann. Natürlich besuchten wir auch die Orang-Utan-Inseln auf denen beschlagnahmte Tiere eine neue Heimat gefunden hatten. Endlich konnte ich sie aus der Nähe sehen. Es war zwar toll, das alles zu sehen, aber irgendwie hatte man doch die Zoobesucherbrille auf und konnte sich nicht wirklich der Tatsache bewusst werden, dass es sich um etwas viel besseres als einen Zoo handelte.

Wir verbrachten also ein paar Tage in Samboja Lestari und machten von dort aus ein paar Ausflüge, u.a. nach Balikpapan, Samarinda und eine Bootsfahrt, auf der wir wilde Nasenaffen in Aktion sehen konnten. Das war schon was.

Von dort aus wurschtelten wir uns dann per Bus (meist gequetscht wie in einer Sardinendose) weiter Richtung Norden, holten uns in der Forstbehörde von Bontang eine Genehmigung für das Betreten des Nationalparks und fuhren weiter nach Sanggata. Dort erwartete uns bereits ein Guide, der uns zu einem Fluss führte. Ab da ging’s weiter per Boot. Das Ufer des Flusses war ebenfalls alles andere als malerisch. Stinkende Abfälle und abermals nichts als Grasland. Als wir vom plötzlich einsetzenden Regen schon völlig durchnässt waren, erreichten wir ein prächtiges Holzhaus und dahinter endlich den lang ersehnten dichten Urwald. Wir machten uns dort in einer spartanischen Kammer breit und Bekanntschaft mit Jolanda und Ben, zwei holländischen Weltreisenden, die ebenso wie wir nicht mit der Begegnung anderer Touristen gerechnet hatten. Nachdem wir uns bei Tee und Keksen über Herkunft und Reisepläne ausgetauscht hatten, rief plötzlich Mr. Wilis, unser Regenwaldguide, hektisch nach uns und es stellte sich heraus, dass ein Orang-Utan-Männchen es sich gerade in einem Baum etwa 10m vom Haus entfern gemütlich machte. Dass meine erste Begegnung mit wilden Orang-Utans so schnell geschehen würde, hätte ich niemals geglaubt. Wir verfolgten aufgeregt jede Bewegung des Halbstarken und ich glaube, es funkelte sogar eine kleine Freudenträne in meinem Knopfloch.

Als der Regen nachließ, wanderten wir gemeinsam in den Wald und uns entging fast keine Kostbarkeit dieses Urwaldes. Wir bestaunten eine Orang-Utan-Mutter mit Kind in ihrem Nest, sahen prachtvolle Blüten, farbenfrohe Insekten, von deren Existenz ich vorher keinen blassen Schimmer hatte, und Früchte in den merkwürdigsten Formen. Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass dieser Tag im Kutai-Nationalpark auf der Hitliste meiner schönsten Tage im Leben auf jeden Fall unter den Top 3 rangiert. Am nächsten Tag sahen wir noch hier und da einen Waran, ein paar Makaken und fragten uns unterdessen, ob das einfach so passierte oder vielleicht doch ein abgekartetes Spiel der Nationalparkbehörde war um den Touristen die volle Ladung Natur zu verpassen.

Leider neigte sich hier unsere Reise auch schon dem Ende entgegen und wir verbrachten den Rest der Zeit wieder mit Bus fahren. Da ich gesundheitlich angeschlagen war, genoss ich die letzte Nacht in einem Hotel in Balikpapan fernsehend im Bett.

Nach unserer Rückkehr nach Palu mussten wir uns gleich an die Räumung unseres Hauses machen und ich mich schon wieder auf die Reise ins Feld, zum arbeiten. Die folgenden Tage standen dann unter keinem guten Stern. Neben einem Sturz mit dem Moped, einer dramatischen Wildwassertuchfühlung, dem Löschen der Fotos zweier Tage (unter anderem auch Fotos für die Arbeit) und einem weiteren, sagen wir Mopedumfall, war alles dabei. Irgendjemand schien mir sagen zu wollen, dass es Zeit für mich ist, nach Hause zu fahren. So sei es denn. Heute habe ich alles Organisatorische an der Uni erledigt und mein mir trotz allem ans Herz gewachsene Moped abgegeben. Morgen werde ich mir wohl doch noch einen Tag am Strand genehmigen und abends eine Runde für meine Assistenten und Storma-Leute schmeißen. Freitag geht’s dann nach Jakarta, von Jakarta nach Bogor und am nächsten Tag im Sauseschritt nach Deutschland. Ick freu mir.

Am meisten freu ich mich auf das insektenunfreundliche Wetter, auf die Tatsache, unbemerkt eine Straße entlang zu laufen, auf Glühwein und vor allem auf euch, meine Lieben, wo ich endlich wieder ich selbst sein kann.

Wenn alles gut geht und mein Flugzeug sicher gegen 6Uhr morgens in Frankfurt landet, die Bahn nicht streikt und ich mit allem Gepäck in den Zug passe, bin ich wohl spätestens mittags in Berlin und schwuppdiwupp ist Weihnachten.

Trotz allem werd ich dieses wundervolle Land vermissen und hoffe, irgendwann einmal den Rest erkunden zu können.

Bis ganz bald.

Montag, 3. Dezember 2007

Tine unter Eulen – Indonesienbericht Nr. 6



Zum Titel meiner Rundmail später. Zunächst muss ich mich erstmal ein bisschen freuen. Hab nämlich seit heute Mittag ein Moped. Nach zwei Runden über den Campus hatte ich dann meine Eingewöhnung abgeschlossen und musste das Ding ja dann irgendwie zu mir nach Hause kriegen. Carsten eskortierte mich und so meisterte ich irgendwie die erste Fahrt durch die Stadt. Das mit dem Linksfahren krieg ich schon irgendwie hin, aber dass das Pedal links nicht die Bremse sondern die Gangschaltung ist, daran muss ich mich noch gewöhnen. Und dabei hab ich gar nich mehr so viel Zeit zum Lernen, denn Übermorgen geht ja meine Abenteuerreise los. Ich fliege also am Mittwoch mit Carsten zusammen für etwa eine Woche nach Borneo. Mein Traum geht endlich in Erfüllung. Ich werde die Orang-Utan-Rehabilitationsstationen von BOS besuchen und hoffentlich echte Äfflein sehen. Wie lange rede ich schon davon und nie hat es geklappt. Wenn ich diese Chance nicht nutzen würde, könnte ich mir das wohl mein Leben lang nicht verzeihen.

Wie genau unser Trip aussehen wird, steht allerdings noch in den Sternen, aber uns urwalderprobten furchtlosen jungen Abenteurern wird schon was einfallen, zumal Carsten ja auch, im Gegensatz zu mir, der Sprache mittlerweile mächtig ist. Ich freu mich jedenfalls sehr auf diesen „Urlaub“ und hoffe, dass mein Dozent dafür Verständnis hat. Schließlich spare ich etliche Tonnen Kerosin wenn ich von hier aus fliege und überhaupt habe ich nach der letzten Woche wirklich Urlaub verdient. Sieben Tage waren wir im Feld und waren fleißiger denn je. Die ersten Tage verbrachten wir wieder in Bariri im Bienenhäuschen weit weg von Dörfern und Straßen. Nicht immer fanden wir gleich eine geeignete Fläche im Wald, und so bot uns unsere Suche zahlreiche bezaubernde Kulissen. Einmal fanden wir uns in einem Tal tief im Wald wieder. Links und rechts ragten grüne Wände in die Höhe und unter unseren Gummistiefeln plätscherte klares Bergwasser. Während wir so unter Zikadengezirpe und Vogelrufen durch ein Flüsschen wateten und uns an den herunterhängenden Lianen vorbeischlenderten, wurde mir bewusst, wie wunderschön dieses Land ist und wie viel Glück ich habe, das alles erleben zu dürfen. Auch wenn es manchmal hart ist, weil man sich allein und wie ein Alien fühlt, ist es in jedem Fall eine Bereicherung in jeglicher Hinsicht.

In den nächsten beiden Tagen regnete es ab mittags so stark, dass wir nicht mehr arbeiten konnten und so verbrachten wir viele Stunden in der Hütte. Kaffe trinkend, schlafend oder einfach in geselliger Runde auf der kleinen Terasse, von der ein Vorhang aus Regentropfen herabhing. Man hatte das Gefühl als wolle er uns von der schlechten Laune der Natur abschirmen. Als der Regen eines Abends nachließ kamen die Glühwürmchen wie kleine Geister mit Taschenlämpchen aus dem Wald geschwebt während am Horizont noch gleißende Blitze die Dunkelheit durchbrachen.

Am Donnerstag verließen wir unser abgeschiedenes Lager und fanden uns etwa zwei Stunden später in Wuasa wieder, einem Dorf, das sich durch seine neue Straße so rasant entwickelt, dass einem die kulturellen Gegensätze regelrecht Angst machen. Neben traditionellen Hütten mit bunt bemalten Dächern reihen sich Handyshops und Mopedwerkstätten aneinander. Der Holzhandel boomt und zeichnet ein Bild der Verwüstung. Gleich mehrmals fanden wir in vermeintlichen Naturwaldflächen des Lore-Lindu-Nationalparkes nur noch Ackerland oder Wälder vor, die sichtbar beraubt worden waren. An einem Tag hörten wir, während wir arbeiteten, aus nicht all zu weiter Ferne unaufhörlich die Kettensägen heulen.

Leider muss ich an dieser Stelle Schluss machen. Mittlerweile ist Dienstag und ich muss früh raus, denn unser Flug geht sehr früh. Eben kamen noch ein paar Leute vorbei, die mich vom Schreiben abgehalten haben, was aber immer eine nette Sache ist. Auf der Terrasse sitzen, ein indonesisches Bier trinken und über Erlebtes plaudern.

Was es mit den Eulen auf sich hat, werde ich dann das nächste Mal erzählen und dann hoffentlich auch noch ein paar Mails beantworten. Seid mir bitte nicht böse, wenn das bei mir immer etwas dauert, aber die Tage die ich hier in Palu habe, verbringe ich größtenteils mit organisatorischen Dingen und es bleibt wenig Zeit zum Schreiben.

Also bis bald,

Eure Tine