Sonntag, 4. November 2007

Indonesien für Leute wie Tine Teil 2


Neun Tage sind nun bereits ins Land gezogen seit ich dem heimischen Hafen bzw. Bahnhof den Rücken gekehrt habe. Ich kann also mit Fug und Recht behaupten, ich sei angekommen, sowohl physisch als auch psychisch.

Heute ist Sonntag und ich habe frei. Der erste Tag, den ich ganz für mich allein hab. Klar kommen da wieder verstärkt Gedanken an Deutschland hoch und ich frage mich, was ihr wohl grad alle so macht. Bei euch müsste es jetzt etwa 4Uhr in der Nacht sein. Also entweder schlaft ihr oder ihr seid noch dick am feiern.

Feiern gehen kann man hier angeblich auch ganz gut. Gestern war ich allerdings so kaputt vom Arbeiten im Feld (das sagt man so, auch wenn man nicht auf einem Feld steht sondern in meinem Fall mitten im Wald), dass ich nur noch ein paar Bierchen auf der Veranda mitgezischt habe. Noch etwa fünf Indonesier waren zu Besuch und eine Leipzigerin, die schon seit Ewigkeiten in Palu rumhängt. Gegen halb Eins haben sie sich dann noch alle mit ihren Mopeds auf den Weg in die Space Bar gemacht, einem der angesagtesten Tanzschuppen hier. Zwar ist das Leben in Indonesien um ein Vielfaches billiger als in Deutschland, aber aufpassen muss ich trotzdem auf meine Pennunsen. Denn wenn man ständig mit anderen Deutschen Essen und Feiern geht, wird von meinen 300Euro, die ich im Monat zur Verfügung hab, auch nichts mehr übrig bleiben. 300Euro sind übrigens etwa 4.000.000 Rupiah. Schon witzig wie man hier mit Geldscheinen um sich wirft.

Während der Woche beschränken sich meine Ausgaben auf Verpflegung und Kretek, den berühmten indonesischen Nelkenzigaretten, die hier alle STORMA-Leute rauchen wider alle Warnungen der Dozenten, als Frau mit Fluppe im Mund gesehen zu werden. Man ist sowie anders. Deutsche werden, so sehr sie sich auch bemühen, angepasst zu leben, anders behandelt, manchmal bevorzugt, oft aber auch benachteiligt (man wird auf dem Markt von vorne bis hinten beschissen). In den Forschungsstationen im Lore Lindu Nationalpark wohnt man auch in einer Enklave für Weiße, an deren Anblick man sich, mit oder ohne Zigarette, schon gewöhnt hat.

Meiner Arbeit wird eigentlich nur ein Adjektiv wirklich gerecht: anstrengend oder vielleicht noch sauanstrengend. Ein Arbeitstag besteht daraus, zu Frühstücken, seinen Rucksack zu schnüren, einen lokalen Guide für das entsprechende Gebiet zu finden und loszulaufen. Immer geht es hoch in die Berge. Mehrere hundert Höhenmeter bei 30°C und rutschigem Untergrund zu überwinden erfordert Durchhaltevermögen und körperliche Belastbarkeit. Eigentlich bin ich ständig kurz vorm Aufgeben, aber irgendwie schaff ich’s dann doch immer. Ich bin gespannt, ob sich meine Kondition verbessert und ich irgendwann ohne Pause einen Berg erklimmen kann. Andererseits haben wir auch viele geraten, ruhig langsam zu laufen und mir meine Pausen zu nehmen, sonst halt ich die zwei Monate nicht durch.

Ich schlage mich also mit meinen Assistenten durch 45°-geneigten Matschwald auf der Suche nach einer geeigneten Fläche ohne menschliche Einwirkungen. Die größten Fallen sind hierbei Lianen am Boden oder Rattan, der mit seinen gemeingefährlichen Stacheln gern mal die Haut aufschlitzt oder vorgibt, man könne sich gut an ihm festhalten und sich dann wie Rasierklingen in deine schrumpeligen Finger bohrt. Am fiesesten ist die Rattanliane, die dir beim Beinstellen auch noch die Hose kaputt reißt. Ok, soviel zu den Nachteilen. Hat man den Berg erklommen und einen geeigneten Plot gefunden wird nach dem Abstecken gemessen und notiert. Hat man eine Machete dabei und regnet es nicht, macht dieser Teil der Arbeit durchaus Spaß. Ab und zu erfreuen einen faszinierende Blüten, 50 Zentimeter lange Regenwürmer oder Zikaden, die akustisch gern mal ein Sägewerk imitieren (und das ist nicht übertrieben). Die kleinen gestreiften Moskitos, die angeblich auch das Dengue-Fieber übertragen, finden immer eine Stelle an der ein Rinnsal aus Schweiß den Insektenschutz schon wieder weggespült hat.

Ich denke, dass ich nach den zwei Monaten genug Regenwalderfahrungen für die nächsten Jahre gesammelt haben werde, aber ich freue mich auf das was noch kommt und hoffe vor allem, dass ich gesund bleibe.

Nächstes Wochenende werdet ihr wieder von mir hören und ich werde versuchen, auch Mails zu beantworten, aber es ist sehr schwer, da ich sehr selten ins Internet kann und dann nur eine Modemverbindung habe, die ständig versagt. Also, nich böse sein!

Mittlerweile ist es 13Uhr. Ich werde mich jetzt mit einem Buch in den Windkanal meines Ventilators setzen und mich von meinen letzten Tagen erholen.

Macht’s gut, Freunde, haltet die Stellung und tut mir nich fajessn.

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