Samstag, 24. November 2007

Von Einer die auszog, das Dschungeln zu lernen – Indonesienbericht Nr. 5


Es ist Sonnabend, der 24.11.07. In einem Monat ist Weihnachten und irgendwie ist das von hier aus betrachtet ein absurder Gedanke. Wie sollen denn da Gedanken an Kerzenschein und rot gefrorene Kinderbäckchen aufkommen, während hier die Hibiskusbüsche blühen? Trotzdem freun wir uns hier alle drei auf den 1.Dezember, den Tag, an dem Carsten das erste Schächtelchen seines Adventskalenders öffnen kann. Der kam letztens mit der Post von seiner Freundin in liebevoller Detailarbeit zusammengestellt.

Apropos Post, vielleicht fragt sich der eine oder die andere warum noch kein Postkärtchen mit bunten Blumen oder azurblauem Wasser drauf im Briefkasten lag. Die Antwort ist ziemlich einfach obgleich sie wie ausgedacht klingt: Es gibt hier keine! Ich habe in der Tat bisher noch keine einzige Postkarte gesehen. Ob Buchladen, Post (!), Supermarkt oder Einkaufsmall, nirgends nur ein Anhaltspunkt. Vielleicht mag das daran liegen, dass sich hier nur höchstselten mal ein Tourist bzw. buleh (Weißer) verirrt. Ich probier ’s auf jeden Fall weiter. In spätestens vier Wochen wisst ihr ja ob ich erfolgreich war.

Aber nun zu meiner letzten Expedition ins Innere des ach so arg von Urlaubern verschmähten Landes. Ziel meiner Reise war diesmal der Lindu-See und seine angrenzenden Dörfer - eine Region, die durch Berge und Täler vom pulsierenden Stadtleben getrennt ist. Alles was transportiert werden muss, seien es Möbel, Bretter, Nägel, selbst jeder einzelne Sack Zement, alles wird mit dem Moped erledigt. Die einzige Verbindung zur nächsten befahrbaren Straße ist eine kaum 1m breite Schotterpiste, die sich hervorragend für die nächste Motorcrossweltmeisterschaft eignen würde. So wie also täglich die Fische nach Palu kommen, mussten wir auch nach Langko, einem der Dörfer am See gelangen.

Wir mieteten uns also 3 Fahrer, schnürten unsere Rucksäcke, Gummistiefel und was wir sonst noch so dabei hatten auf den motorisierten Esel und los ging’s. Die erste halbe Stunde nur bergauf. Rechts neben mir etwa 10cm vom Mopedreifen entfernt Schluchten mit abgestürzten Urwaldriesen und links Geröllmassen, die nur darauf zu warten schienen, die Piste und uns mit einem Ruck unter sich zu begraben. Aber bei dem Tempo, den mein etwa 15jähriger Weltrekordanwärter drauf hatte, hätte das tosende Gestein eh keine Chance gehabt. Am Anfang malte ich mir noch dramatische Unfallszenen aus wie ich mich nur noch mit einer Hand an einem morschen Baum festklammere und unter mir die endlose Schlucht klafft, aber nach einer Weile begann es Spaß zu machen. Wir erreichten den Gipfel des Berges der sich zu einer Art Raststätte herausgebildet hatte, da es die einzige Stelle war wo mehrere Mopeds nebeneinander stehen und man nach einer verkrampften halben Stunde Rumgerüttele mal ein kleines Päuschen einlegen konnte. Auf der anschließenden Abfahrt wagte ich sogar, die Landschaft zu genießen. Als sich die Schotterhuckel lichteten und wir flacheres Terrain befuhren, war er plötzlich da, der größte See, den ich je gesehen hatte. Überhaupt sind Seen in den Tropen was ganz besonderes, finde ich. Das Gefühl, am Meer unter Kokosnusspalmen stehend und doch im tiefsten Nirgendwo zu sein, war ein ganz neues aber zugleich aufregendes Gefühl für mich. Die Dörfer schlängelten sich zwischen See und Bergketten entlang meist durchbrochen von Wiesen mit Wasserbüffeln und Pferden und weiten saftig grünen Reisfeldern. In einem der Häuser schlugen wir unser Lager auf. Niemand der Bewohner, weder die Frau noch ihr Mann oder Vater sprach auch nur ein Wort englisch, also bedeutete das für mich mal wieder Kommunikationsverkümmerung und anderen beim indonesisch sprechen zuhören. Das ist schon mit der Zeit ein wenig belastend, wenn man mit niemandem ein richtiges Gespräch führen kann. Meine Assistenten sprechen zwar Englisch, aber über die einfachsten Aussagen ohne jegliche Grammatik geht es nun mal nicht hinaus. Und mein Indonesisch beschränkt sich leider noch immer auf arbeitsrelevantes Vokabular und ein paar wichtige Sätze.

Am ersten Tag erkundeten wir ein wenig die Umgebung und machten uns ein Bild von möglichen Wanderrouten die uns eventuell in den Regenwald führen könnten. Auf dem Weg wurden wir in gewohnter Manier von allen Dorfbewohnern freudig begrüßt, nach unserem Ziel gefragt oder vorbeifahrende Mopedfahrer riefen mir ein mutiges „Hello Mister“ zu.

An den darauf folgenden Tagen legten wir weite Strecken zu Fuß zurück, erledigten unsere Arbeit zufrieden stellend und genossen es am Abend unsere Füße hochzulegen. Auf unseren Wanderungen sahen wir Schwärme von Nashornvögeln, die mit rauschenden Flügelschlägen über uns hinweg brüllten, Seeadler, Schwarze Reiher und zahllose Kraniche. An einem Tag als wir gerade einen Baum vermaßen, guckten mich plötzlich zwei schwarze Kulleraugen an. Drumherum ein grauer flauschig pummeliger Körper, der wohl einer Maus gehörte, die allerdings größer war als alle Ratten, die ich bisher gesehen hatte. Leider dauerte dieser entzückende Augenblick nur höchstens zwei Sekunden, mindestens 5 zu wenig um meine Kamera zu zücken.

Manchmal mussten wir mit einem Boot übersetzen, wenn der Wald zu weit entfernt war oder uns das Wasser von ihm trennte. Einmal erreichten wir den Strand erst, als schon die Sonne unterging. Bei kitschigem rosa Himmel und einer Landschaft a la Caspar David Friedrich warteten wir auf unser Boot, das uns zurück ins Dorf bringen sollte. Ein Lagerfeuer vertrieb uns die Zeit und wir bestaunten die Sterne während das Plastik der Motorölflaschen in den grünen Flammen blubbernd dahin schmolz.

Abgesehen von einem Arm voller Pusteln, den ich entweder einer bösartigen Fieslingspflanze oder irgendwelchen Blödianinsekten zu verdanken habe, war es eine abenteuerliche Woche mit unzähligen unvergesslichen Eindrücken und Erlebnissen.

Jetzt sitze ich wieder hier im Staub der Stadt und warte darauf, dass mein nächstes Abenteuer beginnt, denn ein Moped hab ich immer noch nicht. Leider sind im Moment alle verliehen und ich bin noch immer abhängig vom Mitleid der anderen STORMA-Leute.

Mir bleibt jetzt nur noch, euch ein bezauberndes Wochenende zu wünschen und euch von hier aus alle zu drücken. Bleibt mir gewogen! Bis ganz bald.

Eure Tine

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